5. Dezember 2012
Mittwoch, der 5. Dezember 2012 – seid Willkommen!
Da bin ich wieder – und wie ich erkennen kann – ihr auch. Das Schreiben im Adventskalender hat ja so was wie das Auftreten in einem Theater. Man steht da, erzählt und spielt und hofft, dass man „ankommt“. Ich weiß nicht, wer von euch schon einmal auf einer Bühne gestanden hat. Das ist gar nicht einfach, einen Menschen mit den Augen aus der Entfernung anzusehen. Es reichen mitunter schon ein paar Meter und eine kleine Menge Menschen die zusammen stehen, und es entsteht eine Distanz. Alle gleichzeitig kann man nicht ansehen und allen Zuhörern gleichzeitig kann man nicht gerecht werden. Was dem Einen gefällt findet der Andere schlecht. Allerdings hat ein guter Schauspieler dann die Chance zu interagieren, denn er spürt anhand der Gesichter – am Raunen, Lachen, Wegdrehen oder Gähnen, ob er einen Nerv trifft oder nicht. Er kann diese Stimmungen auffangen und verändern.
Das habe ich nicht. Und so ist Abend für Abend für mich nur das Klappern der Tastatur die akustische Reflektion des Adventskalenders. Nachdem ich fertig bin, lese ich mir mitunter den Text laut vor. Da merke ich dann, wo es meiner Meinung nach „holpert“, an welchen Stellen es zu viele Wortwiederholungen gibt, und beim Luftholen schaue ich, ob ich da auch ein Komma gesetzt hatte :). Aber das sind nur die „technischen“ Details der Schreiberei. Ich schaue nicht in den virtuellen Raum vor mich, sondern zum Schreiben schaue ich meist auf den Tag, der hinter mir liegt. Ich erinnere mich an die Menschen und deren Gesichter. An die mitunter zugelassene Nähe und die erfahrene Distanz. Dann frage ich mich, ob in diesen Erlebnissen etwas von der Vorweihnachtsstimmung zu spüren gewesen ist, von der ich berichten möchte. Manchmal ist sie ganz weit verborgen und ganz und gar weltlich… so wie in meiner kleinen Dienstag Spätnachmittagsgeschichte.
Ich war heute (also am Tag des Lesens gestern) in Stolberg. Den Weg dahin lege ich regelmäßig mit der Euregio zurück. Das ist eine Eisenbahn. In Stolberg Hauptbahnhof wird sie geteilt und ein Teil fährt weiter nach Stolberg Altstadt und ein Teil weiter nach Eschweiler oder Düren. Im Umkehrschluss wird auf der Rücktour in Stolberg Hauptbahnhof dieser Zug wieder vereint. Nicht immer sind beide Teile gleichzeitig zur Stelle, und so wartet man schon manchmal ein paar Minuten auf der Strecke.
Das kommt vor, das ist nicht planbar und damit muss man sich als Reisender mehr oder weniger arrangieren. Aber die Bahn macht regelmäßig innerhalb der Züge Kundenbefragungen. Man will wissen, wie zufrieden die Kunden sind, ob die Mülleimer oft zu voll sind, man mit dem Rad unterwegs ist und derlei Dinge mehr. Heute stand ein älterer Herr im Wagon und nachdem er die Ein- und Aussteigenden Reisenden pro Station gezählt hatte, begann er mit den Fragen. Mir gegenüber saß eine ältere Dame. Ich habe mich nicht mühen müssen, zuzuhören. Es war laut genug.
„Eingestiegen sind sie wo?“ Stolberg Mühlener Bahnhof. „Bis wohin fahren Sie?“ Aachen Eilendorf „Der Grund ihrer Fahrt?“ Shoppen.
Da wich er dann von seinem Zettel ab und meinte: „sie fahren shoppen?“ Nein, antwortete sie – ich war. „In Stolberg?“ klang es durchaus verwundert. Ja, das müsse sie ja ausnutzen. Sie habe jetzt so eine Fahrkarte (?) mit der sie überall hinfahren kann.
Im Zug befindet sich eine Zeitanzeige und wir standen auf der Strecke und warteten auf den anderen Zugteil. Es wurde zunehmend deutlich, der hatte sich verspätet. Nachdem sie noch Zahlen nennen durfte, die oben benannte Fragen mit einem Nummerncode versahen (ganz zufrieden war im übrigen 10, durchaus zufrieden 12, zufrieden 14 und dann begann man unzufrieden Punkte „zu schaufeln“), begann auch sie zu bemerken, dass wir verspätet waren. Zwar gab es in der Zeit den mir bekannten Rumms, die beiden Wagons hatten sich zusammen gekoppelt aber alles wartete weiterhin. Offenbar war die Strecke noch nicht frei gegeben. Das erklärte er ihr und dann begann sie ihrerseits mit Fragen und Erzählungen. 16.30 Uhr müsse sie spätestens am Bahnhof sein, weil da der Bus gehen würde.
Die Dame – durchaus im Alter des Interviewbeauftragten 😉 – hatte Gefallen gefunden an dem Gespräch, das so dienstlich begonnen hatte. Sie lebte förmlich auf, weil sich da jemand für sie interessierte. Warum das Gespräch begonnen hatte wurde für sie immer unwichtiger. Eigentlich hatte sie nur – so denke ich mir – nach Weihnachtssachen schauen wollen, und es war ihr ein Mensch begegnet, der sie ansprach und mit dem sie sich austauschen konnte. Sie und er – sie hatten eine gewisse Nähe zugelassen. Als wir Eilendorf erreichten, grüßte sie ausgesprochen freundlich und verließ guter Dinge den Zug.
Nachdem dann noch zwei weitere Damen befragt waren, kam ich an die Reihe. Ich wollte nicht. Nachdem ich dem Herrn erklärte, dass ich in den letzten 3 Monaten gefühlte 10 mal die gleichen Fragen gehört und die gleichen Antworten gegeben hatte und ich nun der Meinung bin, dass das die Statistik sehr verfälscht, meinte er – ich sei sozusagen im Zufallsprinzip erneut wieder dabei und das würde zu einer empirischen Umfrage gehören. Nun ja, ich habe nichts dagegen, wenn er seine Arbeit machen möchte und so dauerte meine Befragung 1,5 min – und sie war sachlich, wortkarg, kühl (?). Kein Vergleich wie eben gehört. Als ich ausstieg, hatte ich den Mann schon fast vergessen. Bis eben hier an der Tastatur. Mich hat sicherlich auch er vergessen. Ich war eine Person aus einer Menge von Menschen, die einem so am Tag begegnen. Die Frau und der Mann aber, die sich so ausgesprochen nett und aufeinander eingehend miteinander austauschten, die werden vielleicht mit einem Lächeln im Gesicht am Rest des Tages gedacht haben „Was für ein netter Mensch!“ Und sie nehmen das als Geschenk aus einer flüchtigen Begegnung mit.
Ich weiß nicht, wie ich nach dem Tippen hier – quasi virtuell vor euch stehend – mit meinen Sätzen angenommen werde. Immerhin könnte es ja genauso reserviert sein wie ich es heute war. Schooooooon wieder dachte ich. Aber letztlich habe ich mitgemacht und mir nun nachträglich Gedanken darüber. Ich mache ja auch „irgendwie“ einen Job hier. Ich erzähle und versuche Stimmungen einzufangen und zu transportieren. Und euch ein Gefühl für den Tag zu geben, wie es die Dame bekam, als sie sich verabschiedete. Da war jemand, der sich mit ihr unterhalten hatte. Länger und detaillierter als er gemusst hätte. Es sind die kleinen Begegnungen in der Zeit, die deren Einklang unterbrechen. Es ist Lernarbeit, sich diese bewusst zu machen.
Ich wünsche uns allen einen schönen Mittwoch, ohne Zug- oder sonstigen Verspätungen, mit netten Menschen, lächelnden älteren Damen und vorbereiteten Schuhputzsachen!
Machts gut! Eure Anne
Diesmal gibt es gleich zwei Gewinne – wärmt von außen und wärmt (emotional) von innen. Zwirni/ Karla strickt Dir Deine ganz persönlichen Wunschsocken. Und Antonina verschenkt selbstgebackene Limette-Cranberry Plätzchen mitsamt dem Rezept… damit Du gleich für Nachschub sorgen kannst, sobald die erste Fuhre leer ist.
Du kannst auf Wunsch auch bei beiden Verlosungen teilnehmen… aber nur einmal pro Gewinn Person/ IP-Adresse. Teilnahme jeweils bis 24 Uhr – und jetzt? Viel Glück!
Die Wunschsocken hat gewonnen: Andrea B.
Die Kekse hat gewonnen: Annette B. – die Gewinner wurden bereits informiert.